Anna Katharina Hahn:
Am Schwarzen Berg
Wer früh zur Lesung am 9. Mai ins Haus am OpernTurm (Gastgeber war Allen & Overy LLP) gekommen war, konnte auf dem 40 Meter langen Balkon auf der sechsten Etage noch den Ausblick genießen und auf das geschäftige Treiben vor der Alten Oper blicken.
Meike Feßmann, Kritikerin, stellte Anna Katharina Hahn vor, mit „Am Schwarzen Berg“ stand sie im April auf Platz 1 der SWR-Bestenliste. Das Buch ist zwar 2010 zur Zeit der Wutbürger in Stuttgart entstanden, behandelt aber ein ganz anderes Thema. Im Fokus stehen Peter, Sohn eines Arztehepaares, seine Eltern und die Nachbarn.
In der ersten von der Autorin vorgetragenen Passage erfährt der Zuhörer von der Rückkehr des 40-jährigen Sohnes ins Elternhaus und von der Befindlichkeit Emils, des Nachbarn und der zweiten Vaterfigur, der „manchmal erschrak über den alten Kerl“, den er im Spiegel erblickte. Beinahe ein Idyll mit Fledermäusen, eingekochter Marmelade und einem Porzellanfilter für frischen Kaffee entfaltet sich.
Emil Bub, der Lehrer am Gymnasium (ab Klasse 10, mit den jüngeren Kindern kann er nichts anfangen, sagt er), und Peter Rau verbindet eine Wahlverwandtschaft, die beginnt, als die neue Familie ins Nachbarhaus zieht. Damals ist Peter neun Jahre alt. Mehr als 30 Jahre später ist der Junge gescheitert, seine Frau hat sich von ihm getrennt und die beiden Kinder mitgenommen. Gelingt es den beiden älteren Paaren – Eltern und Nachbarn, den von schweren Depressionen Geplagten aufzufangen?
„Warum beschreiben Sie oft ältere Menschen?“, fragte Meike Feßmann. „Älterwerden ist ein wesentlicher Teil unseres Lebens. Ich setze mich auch mit der Angst davor auseinander“, antwortete die Autorin.
„Handelt es sich bei Emil und Veronika um Wohlstandsalkoholiker?“, möchte Meike Feßmann weiter wissen. „Dieses Wort wäre mir zu hartherzig“, meinte Anna Katharina Hahn.
Die Figuren im Buch sind genau definiert, Herkunft und Milieu sind wichtig. Mia, Peters Frau, geht, weil ihrem Mann, einem Arztsohn, Geld nichts bedeutet, die Tochter einer Putzfrau ist enttäuscht vom mangelnden Ehrgeiz der vermeintlich guten Partie.
In „Am Schwarzen Berg“ treffen Kinderlosigkeit und sehr unterschiedliche Charaktere aufeinander, Natur spielt ebenfalls eine große Rolle. Und immer wieder Mörike, ein auch von der Autorin verehrter Schriftsteller.
„Ist romantische Erziehung ein Fehler?“, fragte Meike Feßmann. „Es ist gefährlich, sich auf Kunst zu stark einzulassen. Aber das bringt Peter nicht aus der Bahn, es ist nicht Mörike, sondern der Liebesverlust“, versicherte die bekennende Romantikerin Hahn.
Nach den Straßennamen des Romans sollte man in Stuttgart nicht suchen, „da würde man sich verlaufen“, die Namen hat sich Anna Katharina Hahn ausgedacht.
Auch die in rotes Leder gebundene Mörike-Biografie von Karl Fridolin Weinsteiger wird man in Antiquariaten vergeblich suchen – sie ist ebenfalls eine hübsche Erfindung der Erzählerin.