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John Banville:
Unendlichkeiten

Haus am OpernTurm, 6. Etage, Allen & Overy LLP: Im Raum mit dem Fensteroval hinter dem kleinen Bühnenpodest haben sich am 8. Mai viele Interessierte eingefunden, um das Gespräch zwischen dem irischen Autor John Banville und Marion Löhndorf, Kulturkorrespondentin der Neuen Zürcher Zeitung in London, zu hören.

Marion Löhndorf stellte den Autor kurz vor, verwies auf die zahlreichen Auszeichnungen, darunter den Franz-Kafka-Literaturpreis, den John Banville für „The Infinities“ im letzten Jahr erhielt. Zu diesem literarischen deutsch-irischen Abend gehöre auch, dass John Banville drei Stücke Heinrich von Kleists übersetzte. Spreche er Deutsch? „Nein“, sagte John Banville auf Englisch, aber er liebe diese Sprache. Zur Übersetzung habe er ein Wörterbuch benutzt.

„Durch die Bücher von John Banville kann man spazieren wie durch große Gebäude. Sie erscheinen aufgeräumt und lassen Platz zum Atmen“, formulierte Marion Löhndorf und unterstrich die „poetische Präzision“ der Texte.

John Banville las eine kurze Passage aus „Unendlichkeiten“ auf Englisch, der ein längerer Text, gekonnt vorgetragen von Jochen Nix, folgte. Die Götterwelt kommt auf höchst eigenwillige und witzige Weise ins Spiel; Hermes betrachtet die Liebessuche seines Vaters Zeus, den er auf seinen Abwegen auch noch unterstützen muss, mit ironischer Distanz.

Was vermag Literatur? „Sie kann Gefühle neu sehen lassen, sie zurück zum Ursprung führen. Wenn zwei Menschen ins Bett steigen, werden sie zu einfachen Kreaturen. Wenn wir uns verlieben, spiegeln wir uns im Gegenüber und sehen es auch als göttliche Erscheinung. Literatur versucht, Leidenschaften zu erzeugen und abzubilden“, erläuterte John Banville. „Literatur ist ein erotischer Prozess, egal, worauf wir uns konzentrieren“, unterstrich der Autor.

Filme und Bücher seien höchst unterschiedlich; während man Bücher immer wieder lesen könne, seien Filme nach ein paar Jahren nicht mehr so toll anzuschauen – eine Meinung, der sich Marion Löhndorf nicht anschließen mag.

Was treibt John Banville zum Schreiben? Er stellte zunächst fest: „Ich will nicht für Literaturkritiker schreiben, sondern für die Menschen. Es geht mir nicht um die 15 Minuten Ruhm bei der Verleihung des Man Booker Prize, sondern um die Begegnung mit einem Passanten auf der Straße, der mir sagte: It’s a fucking great book!“ (Das bleibt jetzt mal so stehen, Marion Löhndorf hat’s auch nicht übersetzt.)

John Banville äußerte: „Meine Bücher sind nicht über etwas, sie sind etwas.“ So seien Übersetzungen zwar möglich, aber sein Werk sei eine eigene Kunst.

Was bedeutet ihm Sprache? „Die Welt ist rund, die Sprache viereckig – das macht es kompliziert. Ich habe aber kein Interesse daran, es einfach erscheinen zu lassen“, antwortete der Autor.

Welche Bedeutung hat Hermes im Buch? „Hermes – so sehe ich mich selbst, seit ich jung bin“, bemerkte John Banville. Über seinen Humor sagte er, dass Humor eigentlich nicht erschaffen werden könne, man sich nicht vornehmen könne, witzig zu sein.

Den Vorwurf von Kritikern, kalte Personen in seinen Büchern geschaffen zu haben, weist der Autor strikt von sich: „Die müssen irgendein anderes Buch gelesen haben.“

Um „Trauer in Form einer Kugel, die einem unvermittelt in die Arme geschleudert wird“, geht es im nächsten von Jochen Nix vorgetragenen Abschnitt, der die Zeit nach dem Tod von Dorothee, Adam Godleys Frau, beschreibt.

Ein Gespräch über den Tod schließt sich an. „Tod ist doch unser ständiger Begleiter, er ist das rettende Element des Lebens, verstärkt unser Gefühle“, meinte John Banville.

Einen dunklen Schatten kann er darin nicht erkennen.

Aus dem Publikum wird die Frage gestellt, warum der Autor seine eigenen Bücher nicht mehr lesen möchte. „Sie sind gescheiterte Versuche, die mit einem besseren Scheitern fortgesetzt werden“, äußerte John Banville.

Ein interessantes Gespräch, das eigenwillige und ungewöhnliche Positionen sichtbar machte. Die Kulisse draußen schient gut zu passen: Die Zuhörer lauschten John Banville, während dem Pegasus auf dem Dach der Alten Oper in der Abenddämmerung von der Fassade her Licht zuwuchs.

Marion Löhndorf
Marion Löhndorf im Gespräch mit John Banville
John Banville
Jochen Nix
Signierte noch: Andreas Altmann ("Das Scheißleben …") und Doris Lerche