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Benjamin Lebert:
Im Winter dein Herz

Diese Location war schon eine besondere: In der 21. Etage des OpernTurms trafen sich der Autor Benjamin Lebert und der Mitarbeiter der F.A.Z. Oliver Jungen am 3. Mai zum Gespräch über „Im Winter dein Herz“.

Es war einigermaßen schwierig, dem zahlreichen Publikum, das mit viel Bewunderung auf Frankfurt, das im blauen, sonnigen Frühsommerhimmel den Gästen zu Füßen lag, anheim zu stellen, sich einen eisigen Wintertag mit viel Schnee zu denken. Denn eine solche Stimmung zieht sich durch das ganze Buch, das Oliver Jungen als „Wintertraum mit tröstlichem Ausgang“ bezeichnet. Gleichzeitig sei der Roman ein „Pharmazeutikum“.

Eine ausführliche Vorstellung des Autors in schön gesetzten Worten, bei der selbstverständlich der Hinweis auf das erfolgreiche Debüt „Crazy“ (1999) nicht fehlte, folgte.

Benjamin Lebert wandte sich anschließend entsprechend an Oliver Jungen: „Sie können auf hervorragende Weise diesen Abend allein bestreiten. Ich danke ihnen für diese Einleitung.“

Warum wählt der Autor den Winter und versetzt die Welt in Winterschlaf? „Es ist eine Zeit der verrammelten Fenster und Türen, die damit verrammelten Herzen gleicht“, antwortet Benjamin Lebert und erläutert: „Die Jahreszeiten finden in mir statt und sind nicht unbedingt deckungsgleich mit dem, was draußen passiert.“ Er merkt außerdem an: „Ich hoffe, nicht der ganze Abend geht so verkopft weiter.“ Bescheiden ergänzt Benjamin Lebert: „Die Menschen sind süß und rührend, sie lassen sich solche Festivals einfallen, um hoch über den Dächern von Frankfurt über Winter zu reden. Auch das hilft mir in finsteren Momenten.“

Nach einer Passage aus dem Buch kommen Lebert und Jungen auf den altmodischen und im Text erwähnten Geländewagen Suzuki Samurai, von Annina „Ritchie Blackmore“ genannt, zu sprechen. Das sei einerseits eine Reminiszenz an seinen Vater, andererseits – als die Protagonistin die Deep Purple-Kassette aus dem Auto wirft – auch ein Protest gegen diese vom Vater ständig gehörte Musik. „Aber ich tauge eigentlich nicht zum Protestler“, gesteht der Autor.

Was bedeutet Geborgenheit, die eine große Rolle im Buch spielt, für Lebert? „Momente wie von einer Lichthülle umschlossen sind so etwas wie Geborgenheit“, beschreibt der Schriftsteller. Wenn er spricht, sucht er nach Worten, formuliert mit Pausen, überlegt. Dieser Duktus wirkt fast konträr gegenüber dem gut vorbereiteten Interviewer mit der großen Materialsammlung.

Im Kontrast mit der Realität steht auch die Handlung im Buch. Der Autor sieht die tatsächliche Gegenwart so: „Die Welt vermittelt eine Unmenge von Möglichkeiten, das hat etwas Rastloses. Der Blick ist fiebriger geworden, man darf sich nicht ausruhen.“ Er sieht den Weg zu sich selbst eher als Geisteshaltung denn als Abfolge von Handlungen.

Oliver Jungen möchte auf die Licht-Dunkel-Metaphorik zu sprechen kommen, die für ihn in der Szene in der Theatinerkirche deutlich wird. Doch der Autor denkt anders: „Metaphorik interessiert mich nicht, darüber weiß ich auch zu wenig. Wichtig ist, dass mich das Licht erreicht – egal, woher es kommt.“ Weiter resümiert er: „Schreiben ist wie der Abstieg auf einer Wendeltreppe.“ Ein tröstliches Ende des Buches sei ihm bedeutsam gewesen.

Fragen gibt es nach diesem ausführlichen Gespräch keine mehr – aber viel Applaus.

Schon ziemlich hoch: der OpernTurm mit 42 Stockwerken
Autor Benjamin Lebert
Viele sind zur Lesung in die 21. Etage gekommen
Benjamin Lebert (l.) im Gespräch mit Oliver Jungen
Frankfurt liegt zu Füßen
Blick aus dem Fenster auf die Deutsche Bank